Mainz (ots) –
Samstag, 14. März 2020, 19.20 Uhr
Erstausstrahlung
Beleidigung, Verleumdung und Hass gehören zum Alltag im Netz. Spätestens seit
den Anschlägen von Halle und Christchurch, die ihren Ursprung in hasserfüllten
Online-Foren hatten, muss der Umgang mit „Hate Speech“ überdacht werden.
Johannes Nichelmanns Dokumentation „Mehr Zensur wagen? – Der Kampf gegen Hass im
Netz“ am Samstag, 14. März 2020, um 19.20 Uhr in 3sat zeichnet die jüngsten
Entwicklungen nach und zeigt Versuche, den Hass im Netz zu bekämpfen.
Befürworter und Gegner von mehr Zensur kommen zu Wort. Dabei kreist alles um die
scheinbar paradoxe Frage: „Muss die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden, damit
unsere Gesellschaft frei bleibt?“
Hasnain Kazim, 45, hat seine ersten Hassbriefe im Alter von 17 Jahren erhalten.
Als Schüler schrieb er einen Artikel in einer überregionalen Zeitung und wurde
danach von Fremden aufgefordert, die Bundesrepublik zu verlassen. Er – geboren
und aufgewachsen in Niedersachsen – dürfe Deutschland nicht als seine Heimat
bezeichnen. Inzwischen erhält er am Tag bis zu 1000 solcher Botschaften,
Morddrohungen inklusive. Der einstige „Spiegel“-Journalist hat aufgegeben,
Anzeigen zu erstatten, denn belangt worden ist bislang noch niemand.
Johannes Baldauf von Facebook Deutschland betrachtet das soziale Netzwerk als
ein Werkzeug der Demokratie. Durch die Möglichkeiten des Informationsaustausches
könne eine Gesellschaft stärker zusammenwachsen. Auf der Plattform spiegele sich
nur ein Problem unserer Zeit. Es sei „kein Facebook-Problem“. Der bayerische
Justizminister Georg Eisenreich (CSU) kontert: „Wir dürfen es Facebook nicht
durchgehen lassen, wenn sie sagen, dass sie nur technisch eine Plattform bieten
und für die Inhalte dann die Nutzer verantwortlich sind.“ Und Theaterregisseur
Kay Voges glaubt: „Wenn wir die Meinungsfreiheit zensieren, dann verlieren wir
einen Grundpfeiler der Demokratie.“
Die Schriftstellerin Eva Menasse ist überzeugt: „Wir müssen das Konzept der
Meinungsfreiheit neu überdenken.“ Die Österreicherin schlägt vor, das
Rechtssystem „komplett zu ändern“. Diffamierungen im Netz müssten härter
bestraft werden als im analogen Raum. Hassbotschaften gehörten uneingeschränkt
gelöscht. Grünen-Politikerin Renate Künast verhandelt gerade in verschiedenen
Instanzen an Berliner Gerichten, was sie sich in den Kommentarspalten sozialer
Netzwerke gefallen lassen muss. „Stück Scheiße“ und „Sondermüll“ halten die
Juristen für unsagbar. „Sie alte perverse Drecksau!!!!!“ hingegen nicht, da
diese Formulierung „einen Sachbezug zu einer Äußerung der Politikerin“ hätte.
Der Gesetzgeber versucht, mit dem „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ der Lage Herr zu
werden. Es verpflichtet die Betreiber sozialer Netzwerke, rechtswidrige Inhalte
innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Im Zweifelsfall auch Dinge, die von der
Meinungsfreiheit gedeckt sind. „Das ist somit eine Gefahr für die
Meinungsfreiheit“, resümiert Ingo Dachwitz von Netzpolitik.org.
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