Berlin (ots)
Die usbekische Textilindustrie gewinnt bei den internationalen Verbrauchern von Jahr zu Jahr an Beliebtheit. Dies wird durch die Wachstumsraten der usbekischen Textilexporte deutlich, die sich 2021 im Vergleich zum Jahr davor verdoppelt haben und 3 Milliarden US-Dollar erreichten. 2022 wird erwartet, dass das Exportvolumen 3,8 bis 4,3 Milliarden US-Dollar erreichen wird. 2025 rechnet man sogar mit7 Milliarden US-Dollar.
Außerdem ist die Nachfrage nach usbekischem Garn heute so groß, dass die Politik der usbekischen Regierung, die auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Staates abzielt – keine Exporte von Rohstoffen, sondern nur noch von Fertigprodukten – viele Wettbewerber auf dem globalen Garnmarkt zu erheblichen Anpassungen ihrer Geschäftspläne zwingt.
Die Tradition des Baumwollanbaus in Usbekistan hat eine sehr lange Geschichte. Chinesische Kaufleute brachten die ersten Baumwollsorten vor mehr als 2.000 Jahren in die Region des heutigen Usbekistans. In Usbekistan wird es auch „weißes Gold“ genannt, denn Baumwolle war neben Gold schon immer eines der wichtigsten Exportgüter des Landes. Noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts machten die Baumwollplantagen bis zu 98 Prozent der Gesamtfläche aller Industriepflanzen aus, und der Prozess des Anbaus, der Ernte und der Verarbeitung von Baumwolle beschäftigte einen großen Teil der arbeitenden Bevölkerung. Heute ist Usbekistan der sechstgrößte Baumwollproduzent weltweit.
Nach Erlangung der Unabhängigkeit Usbekistans im Jahr 1991 wurde die Baumwolle weiterhin traditionell per Hand gepflückt. Dafür mussten Tausende von Ersatzarbeitskräften rekrutiert werden. Auch Kinder sowie Beschäftigte im öffentlichen Sektor und Studenten wurden für die Baumwollernte eingesetzt. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten wurden 2013 bis zu 5 Millionen Menschen zum Baumwollpflücken rekrutiert – fast jeder achte Usbeke im erwerbsfähigen Alter nahm an der Baumwollernte teil.
Im Jahr 2009 schlossen sich daher mehr als 300 internationale Marken (wie Burberry, Puma, Gucci und Adidas) in der Cotton Campaign, einer internationalen Nichtregierungsorganisation, zusammen und kündigten einen Boykott usbekischer Baumwollprodukte an. Das nahm die Führung des Landes zum Anlass für große Anstrengungen. Die Zwangsarbeit auf den Baumwollplantagen wurde unter Strafe gestellt, Baumwollanbau modernisiert, und die Löhne der Baumwollpflücker wurden erhöht bzw. der Mindestlohn eingeführt. Das waren klare Signale, die auf die Demokratisierung des Arbeitsmarktes in Usbekistan hindeuteten.
Im März dieses Jahres bestätigte die International Labour Organisation (ILO), dass es Usbekistan gelungen sei, Zwangs- und Kinderarbeit vollständig aus dem Baumwollproduktionszyklus zu verbannen. Die Bemühungen der Regierung waren demnach erfolgreich, und Cotton Campaign kündigte die Aufhebung des weltweiten Boykotts gegen usbekische Baumwolle an.
Das Land erwartet nun, dass internationale Unternehmen und Handelsketten wieder usbekische Baumwolle kaufen werden. Auch die ILO tritt dafür ein, dass sich internationale Hersteller im Land engagieren. Die Aufhebung des Boykotts sollte ein Motor für das Wachstum und die dynamische Entwicklung der Textilindustrie sein.
Angesichts der Umstrukturierung der internationalen Lieferketten ist Usbekistan eine Alternative für viele globale Marken, aber auch ein äußerst attraktiver Markt für die Einfuhr von Textil- und Bekleidungstechnologie. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Land längst nicht mehr das „weiße Gold“ in Form von Rohstoffen exportiert, sondern sich mutig an die Weiterentwicklung des gesamten Verarbeitungszyklus macht. Vorrangig geht es um die Einführung von Textilclustern und den Export von Produkten mit höherer Wertschöpfung.
Insgesamt gibt es bereits mehr als 130 Wirtschafts-Cluster in ganz Usbekistan, in denen Baumwolle angebaut, entkörnt und verarbeitet wird. Sie sind für fast 18 Prozent der jährlichen Baumwollproduktion verantwortlich. Dadurch ist die Faserverarbeitung nur in zwei Jahren um das 2,5-fache gestiegen. Wurden noch 2016 nur 45 Prozent der Baumwollfasern im Inland verarbeitet, waren es vier Jahre später bereits fast 90 Prozent.
Die usbekische Führung ist sich der Bedeutung einer stabilen Versorgung der Industrie mit Baumwollfasern und -garn durchaus bewusst. Die Cluster seien deswegen verpflichtet, überschüssige Fasern, die über ihren Bedarf hinausgehen, an der Börse zu verkaufen. Außerdem wird es für Textilunternehmen einfacher sein, Rohstoffe im Zollgebiet zu verarbeiten. Die Genehmigungen werden ohne Zollgarantie erteilt, und die erzeugten Produkte können sofort ausgeführt werden. Letzteres dürfte für viele deutsche und europäische Unternehmen, die Textilien in Fabriken im Ausland in Auftrag geben wollen, von großem Interesse sein.
Schon heute ist die Textilbranche einer der führenden Industriezweige des Landes. Hier sind mehr als 350.000 Menschen beschäftigt (Stand 2021). Offiziellen Angaben zufolge lag ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) allein im dritten Quartal 2019 bei rund drei Prozent und an der Produktion von Non-Food-Konsumgütern bei mehr als 40 Prozent. Das jährliche Wachstum der Produktion des Sektors lag in den vergangenen Jahren bei etwa 18 Prozent, das der Ausfuhren bei etwa 10 Prozent. Allein im ersten Quartal 2021 expandierte der Industriezweig um 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Das Ende des Boykotts der usbekischen Baumwolle ist auch für die deutsche Textilindustrie eine gute Nachricht. Denn Usbekistan hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, sich zum Zentrum der Textilindustrie auf dem Weltmarkt zu entwickeln. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Neben den Rohstoffen kann Usbekistan mit niedrigen Produktionskosten, motivierten Arbeitskräften und langjährigen Produktionserfahrungen punkten.
Seit April 2021 gehört Usbekistan als Handelspartner der Europäischen Union dem Allgemeinen Präferenzsystem (APS+) an. Dieser Mechanismus bedeutet, dass das Land über besondere wirtschaftliche Anreize wie niedrigere Exportsteuern verfügt. Dies erleichtert den Außenhandel enorm und wird auch die Investitionen in die Textil- und Bekleidungsindustrie ankurbeln. APS hat die Kooperation zwischen Usbekistan und der EU auf ein neues Level gehoben. Experten gehen davon aus, dass die jährlichen Lieferungen in die EU in diesem Jahr bis zu 250 Millionen US-Dollar erreichen werden.
Die Regierung und Präsident Shavkat Mirziyoyev selbst widmen der Entwicklung des Baumwollsektors große Aufmerksamkeit. Es wird alles unternommen, um internationale Marken auf den usbekischen Markt zu bringen und den Export usbekischer Textilien zu steigern. Am 28. Juni erklärte der Präsident, dass den lokalen Unternehmern im Gegenzug verschiedene Anreize und günstige Finanzierungsmöglichkeiten geboten werden.
Doch dafür braucht die usbekische Textilbranche internationale Standards in der Produktion und moderne Managementsysteme. Noch im Jahr 2022 soll die Anzahl der internationalen Zertifikate, Audits und Standards in der Textilbranche die Zahl 1.650 erreichen. Es wird erwartet, dass sich deutsche Firmen ihre Chance auf dem usbekischen Markt nicht entgehen lassen wollen.
„Das Interesse der deutschen Wirtschaft an Usbekistan hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Textilindustrie gehört seit jeher zu den attraktivsten Sektoren der usbekischen Wirtschaft. Die Investitionen in den Sektor bieten deutschen Zulieferern enorme Chancen, etwa dem Maschinenbau“, weiß Christian Tegethoff, Gründer und Geschäftsführer von CT Executive Search. „Aufgrund seiner relativ großen Bevölkerung und der günstigen geographischen Lage mit der Nähe zu China hat Usbekistan auch als Produktionsstandort Potenzial. Investoren sollten allerdings eine vorausschauende Personalpolitik betreiben und bedenken, dass Aus- und Weiterbildung erhebliche Ressourcen benötigt. Besonders Facharbeiter sind rar und müssen oftmals von den Unternehmen selbst ausgebildet werden“, rät der Usbekistan-Kenner.
Dementsprechend führt das Textilinstitut in Taschkent zur Zeit ein duales Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild ein: Drei Tage in der Woche wird studiert, die restliche Zeit absolvieren die jungen Leute eine praktische Ausbildung in einem Textiltechnologiepark.
Vom 21. bis 24. Juni dieses Jahres fand in Frankfurt am Main die Internationale Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien „Heimtextil“ statt. Die Fachmesse ist das wichtigste Ereignis im Bereich der Heimtextilien und eröffnet alljährlich die neue Einkaufssaison für internationale Einkäufer von Heim- und Objekttextilien. Daher war das Interesse an der Messe seitens Usbekistan enorm. Mehr als 30 große usbekische Textilhersteller präsentierten in Frankfurt das Potenzial der usbekischen Textilindustrie.
Usbekische Hersteller haben eine Reihe erfolgreicher Verhandlungen mit ausländischen Geschäftspartnern geführt und Exportverträge mit deutschen, tschechischen, polnischen und türkischen Unternehmen unterzeichnet. Auch globale Marken wie C&A, S.Oliver, Falke, Triumph, Biberna und andere blicken mit großem Interesse auf den usbekischen Markt. Davon zeugen erfolgreiche Wirtschaftsgespräche zwischen einer hochrangigen usbekischen Delegation und Vertretern dieser Unternehmen, die Mitte Juni in Deutschland stattfanden.
„Usbekistan hat einen festen Platz in der Baumwoll- und Textilindustrie auf dem Weltmarkt. Die Nachfrage nach usbekischen Qualitätsgarnen nimmt immer mehr zu“, fasst Ludwig Schmänk, Vorstandsvorsitzender des großen deutschen Textilunternehmens Biberna, den Trend zum Erfolg usbekischer Hersteller zusammen. Es ist davon auszugehen, dass sich deutsche Firmen ihre Chance auf dem usbekischen Markt nicht entgehen lassen wollen.
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